Prof. Dr. Jack van der Veen ist Hochschulprofessor für Supply Chain Management an der international renommierten Nyenrode Business Universität, mit dem speziellen Schwerpunkt Kettenkooperation. Für Yellowstar nahm er sich 1,5 Stunden Zeit, um seinen Gedanken zu diesem Thema freien Lauf zu lassen. Dies ist Teil 3: „Ich betrachte es als Versagen des Marktes, dass Kettenkooperation immer noch zu wenig stattfindet und alte Konzepte endlos weiter vor sich hin dümpeln.“
Woran liegt es, dass die Kettenkooperation nach wie vor nur spärlich stattfindet?
„Es liegt den Logistikunternehmen im Blut, sich bedeckt zu halten. Kooperation verlangt von den Unternehmen eine klare strategische Vision. Danach werden denn auch andere erkennen, dass sie sich nicht länger durchwursteln können. Vor allem das zunehmende Interesse an Nachhaltigkeit wird einen Unterschied machen, davon gehe ich aus. Als Gesellschaft werden wir es bald nicht mehr akzeptieren, dass Umweltverschmutzung ungestraft bleibt. Die Regierung oder letztendlich der Verbraucher werden das durchsetzen. Das geschieht nicht unbedingt aus wirtschaftlichen Erwägungen. Ich selbst habe immer gedacht, dass die traditionellen Vorteile von Kettenkooperation - schneller, besser, günstiger - für sich sprechen. In der Praxis ist das offensichtlich anders. Jetzt geht es deshalb viel mehr darum innovativer, nachhaltiger und attraktiver zu sein. ,Schneller‘ und ,besser‘ kann man als Unternehmen theoretisch auch alleine hinbekommen, ohne Kettenkooperation, aber für innovativer, nachhaltiger und attraktiver ist die Kette unbedingt nötig. Als Logistikunternehmen alleine schafft man das nicht.“
Was bedeutet attraktiver?
„Attraktiver im Zusammenhang mit Kettenkooperation ist vor allem wegen des enormen Personalmangels von Bedeutung. Mit Blick auf die Zukunft ist unglaublich wichtig, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, um Mitarbeiter zu halten. Es erfordert eine Kultur, in der sich die Menschen wohlfühlen. In der Motivationstheorie sind die drei wichtigsten Motivatoren ‚Purpose‘ (was Tolles machen), ‚Autonomie‘ (selbstständige Arbeit) und ‚Mastery‘ (weiter lernen). Vor allem junge Leute wollen ihren Beitrag für die Welt leisten. Verantwortung bekommen, sodass man einem Unternehmen helfen kann, etwas zu bewirken. Ständige Fehlkommunikation, Daten abtippen müssen, Hochdruck oder Stillstand, gehören nicht dazu. Als Logistikunternehmen sollte man auch nicht digitalisieren, um Ressourcen zu sparen, sondern um Mitarbeiter für Verbesserungen etc. einsetzen zu können und so die Arbeit attraktiver zu machen. Es bedeutet auch, dass man als Unternehmen seine Mitarbeiter bei der Auswahl von Software mitreden lässt, anstatt ihn einen einfach so ein neues IT-System vorzusetzen.“
Das Gros der Menschen will doch gar keine Veränderung?
„Die Menschen wollen sich gerne verändern, aber nicht verändert werden. Ich habe selbst Kinder, und eine größere Veränderung, bei der man alle Konsequenzen akzeptiert, gibt es nicht. Doch es wäre etwas völlig anderes, wenn es hieße: ,Du musst Kinder haben‘. Die Leute sind durchaus bereit, etwas anders zu machen, wenn es auch ihnen nützt oder wenn die Leute es toll finden.“
Was kann man als Logistikunternehmen sonst noch tun, um einen Veränderungsprozess erfolgreich zu starten?
„Es geht um den Innovationsgeist innerhalb der Unternehmen. Ein Geschäftsführer, der zum Beispiel ruft: ,Wir machen Blockchain!‘, kann damit rechnen, dass jeder im Unternehmen irgendwelche Einwände hat, dann doch irgendwie mitmacht und das Projekt schließlich im Sande verläuft. Anders ist es, wenn ein paar Mitarbeiter selbst beim Geschäftsführer anklopfen und Blockchain als Lösung vorschlagen. Das Gleiche gilt für Digitalisierung: Wenn die Mitarbeiter denken, schon wieder ein neues IT-System, es funktioniert doch mit Excel, dann wird die Implementation sehr langwierig. Dagegen sieht es ganz anders aus, wenn die Idee von unten aus dem Unternehmen kommt, von Leuten, die Lust darauf haben. Als Unternehmensführung hat man dann die Aufgabe, das richtige Umfeld zu schaffen. Stellen Sie multifunktionelle Teams zusammen und arbeiten Sie dort miteinander an der ständigen Weiterentwicklung des Geschäftsmodells Ihres Unternehmens.“
Dieses Interview mit dem Hochschulprofessor Jack van der Veen ist Teil einer dreiteiligen Reihe. Lesen Sie hier Teil 1 „Alles beginnt mit einer Vision“ und Teil 2 „Anders denken und handeln ist eine große Veränderung“.